Warum nachhaltiges Wirtschaften an der Beschaffung beginnt
Wenn wir über Nachhaltigkeit im Unternehmen sprechen, denken viele zuerst an Energie, Mobilität oder Verpackungen. Wenig überraschend, denn das sind die sichtbaren Themen. Doch einer der wirkungsvollsten Bereiche wird oft übersehen: der Einkauf.
Nachhaltigkeit im Einkauf entscheidet maßgeblich darüber, wie glaubwürdig, wirksam und wirtschaftlich ein Unternehmen tatsächlich handelt. Denn wer hier sauber arbeitet, übernimmt Verantwortung – nicht nur für sich selbst, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Und genau deshalb ist dieser Bereich weit mehr als nur eine operative Funktion. Er ist ein strategischer Hebel. Ein Hebel, der bisher in viel zu vielen Unternehmen ungenutzt bleibt.
Einkauf ist mehr als Bestellabwicklung
In vielen Unternehmen wird der Einkauf noch immer wie eine Serviceabteilung behandelt. Spezifikationen kommen aus der Technik oder dem Marketing, der Einkauf holt Angebote ein und verhandelt Preise. Doch wer so arbeitet, verzichtet auf Einfluss.
Denn wer die richtigen Fragen stellt, beeinflusst aktiv, wie nachhaltig ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Projekt am Ende ist. Nicht nur preislich – sondern auch ökologisch, sozial und kulturell.
Nachhaltigkeit im Einkauf bedeutet: Verantwortung beginnt nicht beim Verkauf, sondern bei der Auswahl dessen, was überhaupt ins Unternehmen kommt. Rohstoffe, Zulieferteile, Agenturleistungen, IT-Systeme, Reinigung, Beratung – alles, was eingekauft wird, beeinflusst den Fußabdruck des Unternehmens.
Wer billig kauft, zahlt oft doppelt
Ein Klassiker, den du kennst: Drei Angebote einholen, günstigsten Preis nehmen, fertig. Diese Denkweise mag kurzfristig wirtschaftlich erscheinen – aber sie ist gefährlich.
Denn viele Kosten fallen erst später an: Wenn die Qualität mangelhaft ist. Wenn Termine nicht eingehalten werden. Wenn sich herausstellt, dass der Lieferant unter Bedingungen arbeitet, die niemand vertreten will. Oder wenn die Zusammenarbeit so instabil ist, dass jeder Wechsel teuer wird.
Nachhaltigkeit im Einkauf heißt nicht, immer den teuersten Anbieter zu nehmen. Aber es heißt, nicht nur auf den Preis zu schauen. Es geht um den Wert – ökonomisch, ökologisch, sozial. Und das braucht einen Perspektivwechsel.
Nachhaltigkeit braucht klare Kriterien

Ein paar Beispiele: Wird die regionale Herkunft eines Produkts berücksichtigt? Gibt es soziale Mindeststandards bei Dienstleistern? Wie wird mit Verpackung, Transport und Entsorgung umgegangen? Gibt es Transparenz in der Lieferkette? Wird bei Ausschreibungen auf Substanz statt Show gesetzt?
Nachhaltigkeit im Einkauf funktioniert nur dann, wenn die Kriterien verbindlich sind – und nicht nur nett gemeint.
Zusammenarbeit statt Zettelwirtschaft
Viele Unternehmen schicken inzwischen sogenannte Nachhaltigkeitsfragebögen an ihre Lieferanten. Das ist gut gemeint – aber selten wirksam. Denn: Solche Bögen landen häufig unbearbeitet im Papierkorb oder werden pro forma ausgefüllt.
Was fehlt, ist echter Dialog. Nachhaltigkeit im Einkauf bedeutet auch, Partnerschaften zu entwickeln. Statt Druck auszuüben, geht es darum, gemeinsam besser zu werden. Gerade im Mittelstand ist das ein großer Vorteil: Man kennt sich, man spricht miteinander, man kann aufeinander eingehen.
Statt Standards einfach zu fordern, kann man sie erklären, gemeinsam definieren und schrittweise etablieren. Nachhaltigkeit lebt von Beziehung – auch im Einkauf.
Einkauf ist Risiko – oder Chance
Wenn etwas schiefläuft, dann oft in der Lieferkette. Rohstoffe fehlen, Produkte kommen zu spät, Qualität leidet – oder es gibt mediale Kritik, weil ein Zulieferer negativ auffällt.
Genau deshalb ist Nachhaltigkeit im Einkauf auch Risikomanagement. Und zwar kein theoretisches – sondern ganz konkretes, im Alltag wirksames. Wer Lieferanten sauber auswählt, wer Risiken kennt und adressiert, wer kontinuierlich prüft, statt einmalig zu zertifizieren, ist nicht nur nachhaltiger – sondern auch stabiler aufgestellt.
Und das wird zunehmend zum Wettbewerbsvorteil. Denn Kunden, Investoren und Mitarbeitende wollen heute wissen, woher etwas kommt – und unter welchen Bedingungen.
Nachhaltigkeit messbar machen – auch im Einkauf
Viele Unternehmen tun sich schwer, ihre Nachhaltigkeitsleistung zu messen. Der Einkauf kann hier ein wichtiger Datenlieferant sein. Zum Beispiel: Anteil nachhaltiger Lieferanten. Anzahl von Audits oder Gesprächen. Verbesserungen in Transport, Verpackung, Produktdesign. Regionale vs. internationale Beschaffung. Einsparungen durch Umstellung auf nachhaltige Alternativen.
Nachhaltigkeit im Einkauf ist kein Bauchgefühl – sie kann und sollte datenbasiert gestaltet werden. So wird sie auch steuerbar. Und sichtbar.
Nachhaltigkeit beginnt vor der Haustür
Viele denken bei nachhaltiger Beschaffung zuerst an globale Lieferketten. Aber gerade im Mittelstand liegt das Potenzial oft direkt vor der Tür: regionale Anbieter, lokale Dienstleistungen, kleine Betriebe mit echtem Anspruch.
Wer regionale Wertschöpfungsketten aufbaut oder erhält, handelt nicht nur nachhaltig – sondern auch klug. Denn die Abhängigkeit von globalen Strukturen wird geringer. Und die Verantwortung bleibt greifbar. Nachhaltigkeit im Einkauf heißt also auch: näher denken, bewusster entscheiden, langfristiger handeln.
Einkauf als strategischer Partner
Das Wichtigste zum Schluss: Der Einkauf muss raus aus der reinen Bestellfunktion – und rein in die Unternehmensentwicklung. Er ist nicht nur Dienstleister, sondern Mitgestalter. Nicht nur Kostenstelle, sondern Wertefilter. Nicht nur Abwickler, sondern Impulsgeber.
Nachhaltigkeit im Einkauf funktioniert nur dann, wenn die Menschen im Einkauf diese Rolle einnehmen dürfen – und wenn die Geschäftsführung sie dabei unterstützt. Es braucht nicht mehr Aufwand, sondern mehr Klarheit. Nicht mehr Vorschriften, sondern mehr Haltung.
KPI-Vorschläge für den Bereich Einkauf
Wer Nachhaltigkeit im Einkauf ernst meint, sollte auch zeigen können, was er tut. Nicht alles ist messbar, aber vieles. Zum Beispiel: Wie viele der Lieferanten haben sich zu ökologischen und sozialen Standards verpflichtet? Wie hoch ist der Anteil regionaler Beschaffung? Gibt es CO₂-Daten zu Verpackung und Transport? Oder: Wie lange halten eigentlich unsere Lieferbeziehungen – oder wechseln wir ständig zum billigsten Anbieter? Genau solche Zahlen braucht es, wenn Nachhaltigkeit mehr sein soll als ein Bauchgefühl. Und genau solche Kennzahlen werden künftig im Nachhaltigkeitsbericht erwartet.
KPI-Vorschläge für den Bereich Einkauf
Anteil nachhaltiger Lieferanten: % der Lieferanten mit Nachhaltigkeitsnachweis / Verhaltenskodex
Regionale Beschaffung: Anteil der Ausgaben für regionale vs. globale Lieferanten
CO₂-Emissionen durch Beschaffung: Emissionen entlang der Lieferkette (Scope 3)
Transparenz & Kontrolle: % Lieferanten mit Risikoanalyse oder ESG-Audit
Vertragslaufzeiten / Partnerschaften: Ø Dauer der Lieferantenbeziehungen (Langfristigkeit)
Verpackung & Transport: Anteil umweltfreundlicher Verpackung / Transporte mit geringer CO₂-Bilanz
Kosten-Nutzen-Nachhaltigkeit: Einsparungen durch nachhaltige Alternativen / Total Cost of Ownership (TCO)
Fazit: Wer beim Einkauf anfängt, hat schon viel bewegt
Wenn du wirklich nachhaltiger wirtschaften willst, beginne dort, wo du es täglich beeinflussen kannst: beim Einkauf. Nicht mit einem Fragebogen, sondern mit Haltung. Nicht mit blindem Vertrauen, sondern mit echtem Dialog. Nicht mit Vorgaben von außen, sondern mit Klarheit von innen.
Nachhaltigkeit im Einkauf ist ein Hebel – und eine Chance. Für Unternehmen, die es ernst meinen. Und für alle, die Verantwortung nicht nur fordern, sondern leben wollen.
FAQ – Häufige Fragen zum Thema Nachhaltigkeit im Einkauf
Was bedeutet Nachhaltigkeit im Einkauf?
Nachhaltigkeit im Einkauf bedeutet, ökologische, soziale und wirtschaftliche Kriterien bei der Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen systematisch zu berücksichtigen.
Warum ist Nachhaltigkeit im Einkauf so wichtig?
Weil ein Großteil der unternehmerischen Verantwortung – und auch der Umweltwirkungen – in der Lieferkette liegt. Wer hier sauber arbeitet, stärkt Stabilität und Glaubwürdigkeit.
Wie kann man Nachhaltigkeit im Einkauf umsetzen?
Durch klare Kriterien, transparente Auswahlprozesse, echte Gespräche mit Lieferanten, regionale Beschaffung und langfristige Partnerschaften auf Augenhöhe.
Ist nachhaltiger Einkauf immer teurer?
Nicht unbedingt. Oft führen bessere Qualität, geringere Folgekosten und stabilere Beziehungen sogar zu Einsparungen – auch wenn die Einstiegskosten höher sind.
Welche Rolle spielt der Einkauf in der Unternehmensstrategie?
Eine zentrale. Der Einkauf entscheidet mit, welche Werte im Unternehmen ankommen – und welche weitergegeben werden.
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